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Kasuistik 01 — Patientin mit chronischer Bronchitis und Gelenkbeschwerden

Kasuistik

Frau U. (57 Jah­re alt) ist bereits seit Jah­ren bei mir in haus­ärzt­li­cher Behand­lung. Sie klagt über rheu­ma­ti­sche Gelenk­be­schwer­den (schlim­mer bei feucht-kal­tem Wet­ter), ins­be­son­de­re Hand­ge­lenk- und Knie­be­schwer­den sowie chro­ni­sche Rücken­schmer­zen (deg. LWS). Mor­gens mit Gelenk­stei­fig­keit, vor allem in den Fingergelenken.

Seit ca. 30 Jah­ren LWS-Schmer­zen, dump­fer Schmerz, Aus­strah­lung re. Bein. Ver­stei­fungs­ge­fühl, bes­ser durch Lage­wech­sel, Bewe­gung; bes­ser durch Aus­stre­cken; schlim­mer im Win­ter. Schul­ter-Nacken-Schmer­zen, emp­find­lich bei Zug­luft. Als Kind: Pseu­do­krupp-Anfäl­le. Fami­li­en­ana­mne­se: Mut­ter hat­te Rheu­ma. The­ra­pie: In der Ver­gan­gen­heit bes­ser­ten sich die Gelenk­be­schwer­den nach Gabe von Sepia.

Sozia­le Ana­mne­se: Ver­hei­ra­tet, zwei Kin­der. Beruf: Physiotherapeutin.

Sons­ti­ge Ana­mne­se: Z. n. Schien­beinfrak­tur li. (vor ca. 40 J.), Ade­no­to­mie (Poly­pen­ent­fer­nung 1966), Pneu­mo­nie ca. 2005. Hyper­to­nie seit 2013.

In den letz­ten Jah­ren zwar weni­ger Beschwer­den bezüg­lich der Gelen­ke, aber immer wie­der Atem­wegs­in­fek­te, auch mit Atem­not. Zeit­wei­se auch depres­si­ve Pha­sen, Tri­mi­p­ra­min-Ver­ord­nung (Anti­de­pres­si­vum), ambu­lan­te Psy­cho­the­ra­pie abge­schlos­sen (mit leich­ter Bes­se­rung der depres­si­ven Symptomatik).

Es erfolgt eine erneu­te homöo­pa­thi­sche Ana­mne­se (August 2018):

Aktu­el­les Haupt­pro­blem: Immer wie­der Atem­wegs­in­fek­te, rau­es Gefühl in den Bron­chi­en, krat­zen­des Gefühl und Räus­pern. Ich fra­ge: „Krat­zen im Hals?“. „Nein in den Bron­chi­en“ (und zeigt auf die obe­re Regi­on des Brust­bei­nes). Beginn der Beschwer­den mit einer Pneu­mo­nie (Lun­gen­ent­zün­dung) vor ca. 15 Jah­ren, danach tra­ten asth­ma­ti­sche Beschwer­den auf. Daher hat sie Angst vor einer neu­en Bron­chi­tis. Seit die­ser Zeit ver­geht nicht ein Jahr, in der sie eine Bron­chi­tis, und zwar aus­schließ­lich in den Win­ter­mo­na­ten bekommt. Letz­ten Win­ter war das auch wie­der der Fall. Enge­ge­fühl im Brust­korb, Atem­be­klem­mung. Nachts Schwit­zen, aber nur im vor­de­ren Brust­be­reich. Schlaf­lo­sig­keit, nach 2:30 Uhr. Hus­ten und Rhi­ni­tis, tro­cke­ne ver­stopf­te Nase. Ver­schlim­me­rung bei Käl­te. Cha­rak­ter (Selbst­ein­schät­zung): Sie sei ein Kon­troll-Mensch, ein „Kopf-Mensch“, müs­se alles erst mal durch­den­ken, pla­nen. Ihre Fami­lie sei ihr beson­ders wich­tig. Ängs­te: Angst vor dem Ster­ben, vor Tod. Angst, in die Tie­fe zu fal­len (Höhen­angst). Hob­by: Tanzen.

Bes­se­rung im Frei­en; Ver­lan­gen ins Freie zu gehen. Bes­se­rung durch Bewe­gung. Kli­ni­sche Unter­su­chung: zur Zeit Lun­ge aus­kult­a­to­risch o. B., Rachen­schleim­häu­te nicht ent­zünd­lich gerö­tet. Kei­ne Lymphknotenschwellungen.

Repertorisation und Mittelfindung:

Charakteristische Symptome:

  • Atem­wegs­in­fek­te nur in den Wintermonaten
  • Hus­ten mit der Emp­fin­dung von Rau­heit in den Bronchien
  • Gelenk­be­schwer­den, schlim­mer bei feucht-kal­tem Wetter
  • Mias­ma­ti­scher Hin­ter­grund: Sykose
  • Nach San­ka­ran: Es kommt eher ein mine­ra­li­sches Mit­tel in Betracht (Pla­nen, „Kopf­mensch“)

Analyse:

Das Mit­tel soll­te im Wir­kungs­spek­trum einen Fokus auf „Atem­we­ge, Bron­chi­en“ haben und zudem auch den Bereich Gelenk­be­schwer­den mit abde­cken. Mias­ma­tisch suchen wir nach einem syko­ti­schen Mittel.

Repertorisation (RADAR Synthesis 10.5)

Rubriken Synthesis:

  • Brust — Ent­zün­dung — Bron­chi­en — Win­ter; im
  • Kehl­kopf und Tra­chea — Rauheit
  • Brust — Ent­zün­dung — Bron­chi­en — chronisch
  • Brust — Beklem­mung — Atmen; beim
  • All­ge­mei­nes — Zug­luft, Luft­zug — agg.
  • All­ge­mei­nes — Frei­en; im — Ver­lan­gen nach Auf­ent­halt im Freien
  • All­ge­mei­nes — Sykose
  • Gemüt — Furcht — fal­len, zu stür­zen; zu
  • All­ge­mei­nes — Meer; am — amel.
  • Gemüt — Mit­ge­fühl, Mitleid
  • Hus­ten — Kruppartig
  • Brust — Angst in der Brust
  • Brust — Schweiß — nachts
  • Nase — Verstopfung
  • Hus­ten — Hef­tig — Pneu­mo­nie; nach
  • Hus­ten — Pneu­mo­nie, nach
  • Extre­mi­tä­ten — Steif­heit — Gelenke

Materia Medica – Abgleich

 

Die­ser Punkt wird meist ver­nach­läs­sigt, ist aber beson­ders wich­tig! Nur wenn sich die Haupt­sym­pto­ma­tik auch im Arz­nei­mit­tel­bild wie­der­fin­det, kann es auch das Simi­le sein.

 

Hier eini­ge Pas­sa­gen aus J. T. Kent: Homöo­pa­thi­sche Arz­nei­mit­tel­bil­der (Haug-Ver­lag, 2. Aufl.):

Kali­um sul­fu­ricum ist bei vie­len katarr­ha­li­schen Erkran­kun­gen von Nut­zen,… Beschwer­den ent­wi­ckeln sich bei Kali­um sul­fu­ricum vor­wie­gend in der Ruhe, wäh­rend mäßi­ge Bewe­gung Erleich­te­rung ver­schafft. …..Der Pati­ent erkäl­tet sich leicht, beson­ders wenn er sich stark erhitzt hat; er kann sich nicht abküh­len, ohne sich dabei zu erkäl­ten. Es besteht ein star­kes Bedürf­nis nach fri­scher, kal­ter Luft, wel­che auch die Beschwer­den lin­dert. … Wan­dern­de Schmer­zen; aku­ter, von einem Gelenk zum ande­ren zie­hen­der Rheu­ma­tis­mus. Schmer­zen in Glie­dern, Kno­chen und Drü­sen. Schmer­zen wer­den durch Bewe­gung und Gehen sowie im Frei­en gelin­dert;……. Ängst­lich­keit, beson­ders abends im Bett, wäh­rend der Nacht und bei jedem Erwa­chen aus dem Schlaf. Fürch­tet sich vor dem Tod (beson­ders nachts) und vor Men­schen; hat Angst zu fal­len.….. …. Die Schmer­zen kom­men beson­ders mor­gens beim Erwa­chen, abends und nachts; < durch Zug­luft, Erkäl­tung, Erhit­zung,…….. Schwel­lung der Nase. Nasen­blu­ten, beson­ders mor­gens und durch Nase­schneu­zen aus­ge­löst. Tro­cken­heit in der Nase. ….. Schleim­an­samm­lung im Hals, beson­ders mor­gens. Häu­fi­ges Her­auf­räus­pern von Schleim. Tro­cken­heit und Zusam­men­schnü­ren des Hal­ses. ………….. Tro­cken­heit und rau­es Gefühl im Kehl­kopf. Der Kehl­kopf schmerzt wie roh und wund. Katarrh des Kehl­kopfes und der Luft­röh­re,….. Asth­ma bron­chia­le; die Atem­not tritt vor allem abends und nachts auf, beim Gehen und Lie­gen sowie in einem war­men Raum; bes­ser im Frei­en. Dys­pnoe mit Hus­ten. Kurz­at­mig­keit und Ersti­ckungs­ge­fühl in einem war­men Raum, mit Gie­men und Pfei­fen auf der Brust …….…… Kali­um sul­fu­ricum ist eines der wich­tigs­ten Mit­tel bei Bron­chi­al­ka­tarrh. Jede Abküh­lung des Wet­ters führt zu star­kem Schleim­ras­seln in der Brust. Man muss an das Mit­tel den­ken bei Kin­dern, die ein­mal eine Bron­chi­tis durch­ge­macht haben und nun bei jeder Erkäl­tung Schleim­ras­seln ent­wi­ckeln, ohne dass Aus­wurf her­aus­be­för­dert wer­den kann. Pneu­mo­nien oder Pleu­rit­i­den brin­gen in ihrem letz­ten Sta­di­um oft Sym­pto­me die­ser Arz­nei hervor……….

 

Verordnung:

Kali­um sul­fu­ricum C200, (über 4 Tage „Ver­klep­per-Metho­de“)

Verlauf, Follow up:

Im August 2018 wur­de das Mit­tel noch ein­mal bei leich­ten gripp. Sym­pto­ma­tik wie­der­holt: Kali­um sulf. C200, zwei­ma­li­ge Gabe von 5 Glob.

Auch die all­ge­mei­nen Gelenk­be­schwer­den haben sich deut­lich gebes­sert, bis auf Beschwer­den im li. Knie­ge­lenk. Im MRT zeig­te sich hier ein Menis­kus­scha­den bei fort­ge­schrit­te­ner Gonar­thro­se. Ortho­pä­di­sche Mit­be­hand­lung: Ob hier mit­tel­fris­tig eine TEP des li. Knie­ge­len­kes erfol­gen muss, bleibt abzu­wer­ten. Ein erneu­ter The­ra­pie­ver­such mit Kali­um sulf. ist zumin­dest aussichtsreich.

Aber bezüg­lich der Infekt­an­fäl­lig­keit — der Haupt­be­schwer­de — bleibt fest­zu­hal­ten: Nach der Gabe von Kali­um sulf. C200 ist weder im Win­ter 2018–19, noch im jet­zi­gen Win­ter 2019–2020 mehr eine Bron­chi­tis aufgetreten!

Copy­right 2020 Dr. Kars­ten Karad

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